Müssen Studierende bei wissenschaftlichen Arbeiten an einer Hochschule gendern? Vielleicht hast du dir die Frage selbst schon einmal gestellt. Fakt ist: Mittlerweile gibt es an nahezu jeder Hochschule einen Leitfaden für eine geschlechtergerechte Sprache. Gendern ist an Hochschulen also zunehmend erwünscht.

Das bedeutet zwar nicht zwangsläufig, dass du bestraft wirst, wenn du auf eine geschlechtergerechte Sprache in Hausarbeiten oder Klausuren verzichtest. Solch eine Sprache trägt aber nicht zuletzt dazu bei, dass Frauen in der Wissenschaft die ihnen zustehende Wertschätzung erfahren. Deshalb solltest du eine geschlechtergerechte Sprache vielleicht einfach nutzen, selbst wenn der Verzicht darauf keine negativen Folgen für dich hätte?

Gendern ist praktizierte Gerechtigkeit

Die Universität zu Köln definiert die geschlechtersensible Formulierung als den Einsatz der Sprache auf eine Weise, „dass alle Geschlechter oder Identitäten gleichermaßen sichtbar und wertschätzend angesprochen werden“. Das klingt gut. Aber muss man dafür wirklich gendern? Kann man stattdessen nicht einfach alles lassen, wie es lange Zeit gewesen ist? Du schreibt zum Beispiel „Student“, meinst die Studentin einfach mit und sorgst dafür, dass das auch bei einem Lektorat
nicht verändert wird?

Die Hochschule Emden Leer zitiert als Antwort auf solch eine Frage in ihrem Leitfaden ein interessantes Experiment. Bei ihm wurde eine Gruppe von Teilnehmenden aufgefordert, berühmte Politiker, Schriftsteller, Maler und weitere prominente Personen zu nennen. Die zweite Gruppe bat man dagegen um Namen berühmter Politikerinnen und Politiker, Schriftstellerinnen und Schriftsteller, Malerinnen und Maler … In der zweiten Gruppe seien bis zu einem Drittel mehr Frauen genannt worden als in der ersten, heißt es im Leitfaden der Hochschule. Gendergerechte Sprache macht die wichtige Rolle von Frauen in der Gesellschaft also sichtbarer und sie ermuntert weitere Frauen dazu, solche Rollen anzustreben.

Bleibt die Frage: Ist Gendern für Studierende verpflichtend?

Die einzelnen Hochschulen definieren unterschiedliche Ansprüche an die Sprache in Klausuren und Hausarbeiten. Das solltest du berücksichtigen, wenn du eine wissenschaftliche Arbeit schreibst oder jemanden zum Korrekturlesen beauftragst. Einen Beleg für die unterschiedlichen Ansprüche lieferte die Süddeutsche Zeitung in einem Artikel vom 31. Oktober 2019. Sie berichtete unter anderem von der Universität Greifswald. Dort war im April 2019 der Beschluss gefasst worden, ab dem Wintersemester 2019/2020 eine geschlechtergerechte Sprache zu nutzen.

Der Beschluss gelte jedoch vor allem für offizielle Dokumente der Hochschule, zitierte die Süddeutsche Zeitung die Linguistik-Professorin Konstanze Marx von der Universität Greifswald. Hausarbeiten werden dabei eher nicht zu den offiziellen Dokumenten gezählt und in den Vorgaben der Universität stehe über einen „Zwang zum Genderstern oder Binnen-I kein Wort“, heißt es in der Süddeutschen Zeitung weiter.

Etwas anders ist die Situation an der ebenfalls im Artikel genannten Theologischen Fakultät in Greifswald. Deren Handreichung für Seminar- und Abschlussarbeiten bezeichnet geschlechtergerechte Formulierungen als eine von acht formalen Bewertungskriterien. Der Studiendekan Heinrich Assel weist in der Süddeutschen Zeitung allerdings darauf hin, dass das Fehlen oder Vorhandensein einer geschlechtergerechten Sprache bisher in Hausarbeiten noch nicht beurteilungsrelevant geworden ist.

Varianten des Genderns

Der jeweilige Leitfaden der Hochschule verrät einiges darüber, welche Arten des Genderns von der Hochschule bevorzugt werden. Möglichkeiten des Genderns gibt es viele. Du kannst zum Beispiel eine neutrale Bezeichnung wie Studierende, Fachkraft, Person oder „alle“ statt „jeder“ verwenden. Möglich sind zudem ausgeschriebene Begriffe für Männer und Frauen wie „Studenten und Studentinnen“. Daneben gibt es beispielsweise noch:

  • Gender-Gap: Student_innen.
  • Gender-Sternchen: Student*innen.
  • Binnen-I: StudentInnen.
  • Gender-Klammer: Student(in).

Die Leitfäden der Hochschulen benennen in der Regel Vor- und Nachteile der Varianten. Sie empfehlen einige und lehnen andere tendenziell ab. So weist die Universität Hamburg darauf hin, dass mit dem Gender-Gap neben Frau und Mann andere Geschlechter berücksichtigt werden sollen. Ein Nachteil kann dabei eine relativ schlechte Lesbarkeit der Wörter sein. Die im Leitfaden aufgestellten Regeln für eine geschlechterneutrale Sprache solltest du weitergeben, falls du bei einer Hausarbeit Fachkräfte zum Korrekturlesen beauftragst. Nur wer Regeln kennt, kann sie bei Korrektur oder Lektorat berücksichtigen.

Am besten: fragen!

Als Student oder Studentin fragst du am besten die jeweilige Lehrkraft, bei der du die wissenschaftliche Arbeit schreibst, zu den von ihr akzeptierten Varianten der geschlechtergerechten Sprache. Solltest du danach mit deinem Dozenten oder deiner Dozentin uneins sein, kannst du gegebenenfalls auf die Regeln im Leitfaden deiner Hochschule verweisen.

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